Überwachen und strafen
Das Schweizer Parlament plant, ein Bezahlkartensystem für Asylsuchende einzuführen. Nutzt die Politik die Zuwanderung als Vehikel, um den Überwachungsstaat auszubauen?
Die rotgrüne Götterdämmerung ist in vollem Gange. Europaweit, aber auch in Amerika dreht sich der politische Zeitgeist zugunsten der bürgerlichen und konservativen Kräfte. Rechte Parteien räumen von einer Wahl zur nächsten ab. Zuletzt gingen AfD und FPÖ bei den Wahlen in Ostdeutschland und Österreich als die grossen Sieger hervor. Auch die SVP konnte bei den eidgenössischen Nationalratswahlen im Oktober 2023 um ein paar Prozentpunkte zulegen, während die Grünen vom Wähler massiv abgestraft wurden.
Vor allem mit der Kritik an der gegenwärtigen Migrationspolitik konnte ordentlich gepunktet werden. Die bürgerlichen, allen voran rechten Kräfte haben es verstanden, die Probleme der Einwanderungs- und Asylpolitik gegenüber dem Stimmbürger adäquat zu adressieren. Gleichzeitig werden jedoch zur Eindämmung der (illegalen) Migration politische Massnahmen gefordert, die die Grundrechte der Bürger beschneiden — so beispielsweise die Bezahlkarte für Asylsuchende.
Die Migrationsfrage bewegt alle Schweizer
Die Zuwanderung ist mittlerweile ein Thema, das jeden Schweizer Bürger unabhängig seiner politischen Couleur beschäftigt. Über die politischen Lager hinweg ist man sich einig, dass man die Zuwanderung zwar nicht stoppen, aber gezielter steuern müsse – so heisst es zumindest im kürzlich erschienenen Chancenbarometer. Die Schweiz ist nicht mehr weit davon entfernt, die Zehn-Millionen-Marke zu knacken. Das Schweizer Bundesamt für Statistik geht davon aus, dass die hiesige Wohnbevölkerung bei anhaltendem Wachstum im Jahr 2050 10.4 Millionen Menschen umfassen wird. Allein im Jahr 2023 wuchs die Bevölkerung um 1.7 Prozent auf 8.96 Millionen Menschen, was einer Netto-Zuwanderung von 139’000 Personen entspricht. Für einen Kleinstaat wie die Schweiz bedeutet dies eine nicht zu unterschätzende Belastung der inländischen Infrastruktur. Die Züge und Trams sind zunehmend überfüllt, die Strassen und Autobahnen immer voller. Seit 2002 haben sich die Staustunden auf den Schweizer Autobahnen mehr als verdreifacht. Eine Studie der Universität Fribourg stellte fest, dass die seit 2002 in Kraft getretene Personenfreizügigkeit zwischen der EU und der Schweiz massiv zum Anstieg der Schweizer Immobilienpreise beigetragen hat. Trotz anhaltendem Bevölkerungswachstum nimmt der Wohlstand der Bürger in der Schweiz ab. 2023 ist das BIP pro Kopf, das als wesentlicher Indikator für Wohlstand gilt, um 0.4 Prozent geschrumpft.
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Parlament stimmt für die Bezahlkarte
Auch das Asylwesen gilt in der Schweiz als grosse Baustelle. Wie in vielen anderen westeuropäischen Staaten zieht auch die Schweiz viele Wirtschaftsmigranten an, die von den hiesigen sozialen Leistungen profitieren möchten, die eigentlich den wirklich Bedürftigen und Schutzsuchenden zugutekämen. Um das Problem dieses «Sozialtourismus» in den Griff zu bekommen, wird die Bezahlkarte als mögliche Massnahme diskutiert.
Diesen September stimmten beide Kammern des Schweizer Parlaments — der Ständerat und der Nationalrat — mehrheitlich für die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber. Der Nationalrat lässt jetzt prüfen, wie ein solches Bezahlkartensystem national eingeführt werden könnte. Asylsuchende sollen künftig nur noch über eine vorgegebene Bezahlkarte ihr Geld ausgeben dürfen. Dadurch könne man den Asylprozess verschärfen und mögliche Fehlanreize reduzieren, so das allgemeine Versprechen.
Die bürgerlichen Parteien SVP und «Die Mitte» stimmten in der parlamentarischen Abstimmung dafür. Ihr Argument: Die Bezahlkarte würde Asylbewerber davon abhalten, Bargeld für unerwünschte Zwecke auszugeben. Die Sozialdemokratische Partei (SP) und die Grünen stimmten dagegen. Ihr Votum: Die Idee sei abzulehnen, denn die Einführung einer Bezahlkarte würde zu einer weiteren Stigmatisierung von Asylsuchenden führen.
Im Kanton Schwyz, im Herzen der Schweiz, hat man bereits den ersten Testballon steigen lassen. Die Motion zur Einführung der Bezahlkarte für Asylsuchende wurde vom dortigen Kantonsrat gutgeheissen. Aktuell erarbeitet der Schwyzer Regierungsrat ein Gesetz dazu.
Heute Bezahlkarte — morgen digitales Zentralbankgeld?
In dieser Debatte wird sowohl von progressiver als auch von bürgerlicher Seite völlig ausser Acht gelassen, welche Gefahr die Bezahlkarte für Asylbewerber insgesamt für die Freiheit aller Bürger darstellt. Die Politik beteuert, dass die Karte sich ausschliesslich auf die Asylsuchenden beschränken werde. Doch welchen Grund haben Schweizer Bürger eigentlich, ihrer Regierung zu vertrauen?
Erinnert sei hierbei an das Schweizer Nachrichtendienstgesetz (NDG). Der Bundesrat behauptete im Abstimmungsbüchlein, dass «eine flächendeckende Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger ausgeschlossen» sei. Die Gesetzesvorlage wurde dann an der Urne angenommen. Im Januar 2024, acht Jahre später, enthüllte das Online-Magazin Republik, dass seit Inkrafttreten des NDG der Internetverkehr aller Menschen in der Schweiz mitgelesen und gespeichert wird. Der Bundesrat täuschte also seine Bevölkerung vorsätzlich.
Erinnert sei ebenfalls an das Zertifikat, das während der Zeit des Covid-Regimes zum Einsatz kam. Auch damals versuchte der Bundesrat, seine Bevölkerung zu beruhigen, indem er im Mai 2021 versprach, dass das Covid-Zertifikat nur in bestimmten Bereichen eingeführt werde. Was geschah daraufhin? Etwa ein Drittel der Schweizer Bevölkerung wurden eine Zeit lang — ohne zu wissen, wann diese Repression ein Ende nehmen wird — aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Die Beispiele des NDG und des Covid-Zertifikats zeigen, wie die Politik ihre Instrumente willkürlich auf verschiedene Bereiche oder Zielgruppen ausweiten kann. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Ist einmal die Bezahlkarte für Asylbewerber gut erprobt, kann diese beliebig auf weitere Personengruppen ausgeweitet werden. Heute ist es «nur» der Asylbewerber, morgen vielleicht auch der Rentner oder Bezieher von Arbeitslosengeld? Bis zum digitalen Zentralbankgeld (CBDC) ist es dann nur noch ein Katzensprung. Die Schweizer Nationalbank (SNB) arbeitet allein an vier CBDC-Projekten, wobei sich drei Währungen in der Research-Phase befinden und bei einer derzeit eine Pilotstudie durchgeführt wird.
Welchem Zweck die geplanten digitalen Zentralbankwährungen eigentlich dienen, erklärte einst Bo Li, Vize-Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) an einem Seminar:
CBDC kann es Regierungsbehörden und privaten Anbietern ermöglichen, intelligente Verträge zu programmieren, um gezielte politische Funktionen zu ermöglichen, zum Beispiel Sozialleistungen, zum Beispiel Konsumgutscheine, zum Beispiel Lebensmittelmarken. Durch die Programmierung von CBDC können diese Gelder genau darauf ausgerichtet werden, welche Art von Menschen sie besitzen können und wofür diese Gelder verwendet werden können, zum Beispiel für Lebensmittel. Diese potenzielle Programmierbarkeit kann also den staatlichen Stellen helfen, ihre Unterstützung genau auf die Menschen auszurichten, die diese benötigen.
Von oberster Stelle wird also offen zugegeben, dass mit den CBDCs die Absicht verfolgt wird, das Verhalten der Menschen gezielt zu steuern. Es ist naheliegend anzunehmen, dass zu den «gezielten politischen Funktionen» auch Bezahlkarten für Asylbewerber gehören. Kann es sein, dass es sich bei diesen Bezahlkarten um ein trojanisches Pferd handelt, mit dem Ziel, den Menschen das digitale Zentralbankgeld scheibchenweise schmackhaft zu machen? Möglich ist es.
Dieser Beitrag erschien auch als Kolumne auf dem Portal der «Freien Akademie für Medien & Journalismus», geleitet von Medienwissenschaftler Prof. Michael Meyen und Diplomjournalistin Antje Meyen. Im Oktober 2023 nahm ich an ihrem Kompaktkurs für Journalismus teil.